Geschichte

Geschichte

Der Chinesische Pavillon auf dem Weißen Hirsch in Dresden ist das einzige historische Original aus der chinesischen Kaiserzeit in Deutschland. Er wurde 1911 in Shanghai erbaut, in Einzelteilen nach Deutschland verschifft und hier wieder errichtet.

Anlässlich der ersten internationalen Hygiene-Ausstellung von Anfang Mai bis Ende Oktober 1911 in Dresden errichteten alle teilnehmenden elf Nationen ihre Ausstellungsgebäude im Großen Garten. China beteiligte sich mit einer dreistöckigen Pagode und dem Pavillon. Letzterer ist als einziges Denkmal von über 50 Gebäuden erhalten geblieben. Nach der Ausstellung ließ die chinesische Regierung den Pavillon samt Innenausstattung als Gastgeschenk zurück.

Initiator der Ausstellung war Karl August Lingner (1861 -1916), dem die Volksgesundheit ein lebenslanges Anliegen war. Er patentierte das desinfizierende Mundwasser „Odol“. „Die Hygiene ist die Lehre von der Erhaltung und Pflege der menschlichen Gesundheit, die Lehre von der Erhaltung des menschlichen Wohlbefindens“.1) Den Erlös aus der mit 5,5 Millionen Besuchern erfolgreichen Ausstellung verwandte Lingner u. a. zur Finanzierung des einzigartigen Hygienemuseums. Auch das Lingnerschloss, testamentarisch der Dresdner Bevölkerung hinterlassen, erinnert an diesen außergewöhnlichen Mann.

Das eindrucksvolle Plakat zur Ausstellung mit dem alles wahrnehmenden Auge gestaltete Franz von Stuck.

Bei dem Pavillon handelt es sich um eine klassische chinesische Holzkonstruktion, in der sich Architekturelemente aus Nord- und Südchina mischen. Sie stellt einen eingeschossigen fünfjochigen Hallenbau mit Umgang dar. Dieser südchinesische Bautyp ist mit einem nordchinesischen geschwungenen Walmdach mit gerundetem First kombiniert. Gegenüber des Eingangs ist ein halbes Oktogon mit dem Pavillon verschmolzen.

In China deutete sich das Ende der Qing-Dynastie bereits vor dem Jahr 1912 an. Aufstände, der Wille zur Öffnung des bis dahin isolierten Landes und der Wunsch nach internationalen Beziehungen kennzeichneten diese Zeit des Umbruchs. Der kaiserliche Gesandte Se. Exzellenz C. C. Chang, u. a. Präsident der Polizeiverwaltung Peking, war im Auftrag der Regierung mit einer Delegation, Sekretären und medizinischen Delegierten, nach Dresden gereist und sollte Informationen zu Verwaltung und Gesetzgebung in Sachsen, mit zum Kaiserhof nach China bringen. Der ausführliche Wunschzettel der kaiserlichen Regierung beinhaltete sogar Details wie „Hundezucht für Polizeizwecke“.

Wie umfänglich die Ausstellung aus China konzipiert war, zeigt bereits ein kleiner Auszug aus dem Katalog der über 1000 Ausstellungsgegenstände im Pavillon: Fotos von historischen Gebäuden, Objekte verschiedenster Gebrauchsgegenstände, Schriften zu Medizin und Chirurgie, ausführliche Listen der verschiedenen zum Bau von Gebäuden verwendeten Hölzer und anderer Baumaterialien, Modelle von Wohnhäusern, der Feuerwehr, aus der Landwirtschaft, Bedeutung der gesunden Ernährung und Kleidung, Objekte zur Körperpflege und Pflege des Geistes, Musikinstrumente, sogar Modelle zur Militärhygiene (z. B. Schießgraben, Lazarett), Maßnahmen zur Verbesserung der öffentlichen Sitten, wie dem Antiopiumgebrauch, und vieles mehr.

1912, nach Beendigung der Ausstellung, kaufte die Gemeinde „Weißer Hirsch“ den Pavillon für 8500 Reichsmark und stellte ihn im Rathausgarten neu auf. Aufgrund der örtlichen Gegebenheiten wurde der Pavillon auf ein Untergeschoss aufgesockelt. Am 1. August des Jahres wurde er als Lesehalle und Kurcafé eingeweiht.

Die Kurgäste des nahe gelegenen Lahmann Sanatoriums konnten ohne Eintritt zu zahlen zwischen zahlreichen internationalen Zeitungen wählen. Anderen Besuchern wurde Eintrittsgeld abverlangt. Es gab Brettspiele und Schreibtische mit Schreibutensilien, auch die Kurliste lag zur Einsicht aus. Die Lesehalle bestand aus mehreren Räumen und war nach Rauchern und Nichtrauchern getrennt.

Am 03.05.1913 eröffnete im Untergeschoss die Dresdner Molkerei „Gebrüder Pfund“ die Trinkkurhalle, in der Milch, Milchprodukte und Mineralwasser angeboten wurden.

1917 kam es wegen des ersten Weltkrieges zur Schließung. 1919 erfuhr der Pavillon eine Wiederbelebung, später auch als Café mit Konditorei.

In der NS-Zeit erfolgte eine Einschränkung der ausländischen Zeitschriften. Ab März 1938 durften jüdische Bürger die Lesehalle nicht mehr betreten. 1939 zog die Wehrmacht in das Lahmann Sanatorium ein. Im 2. Weltkrieg diente es als Lazarett. Ohne den Kurbetrieb in dem nahe gelegenen Sanatorium verlor auch das Lesecafé im Pavillon seine Bedeutung.

1951 erfolgte eine erneute Nutzung des Pavillons als Gaststätte.

Am 13.02.1961 übernahm der Dresdner Verlag „Zeit im Bild“ die Patenschaft für das neu eingerichtete Lesecafé gleichen Namens.

Spätere Nutzungen als „Waldcafe Weißer Hirsch“, Ausbildungsstätte für das Gaststättengewerbe und für eine Werbeagentur bezeugen die wechselvolle Geschichte des Pavillons.

Nach der deutschen Wiedervereinigung eröffnete 1992 das Restaurant “Jasmin“ als erstes chinesisches Spezialitätenlokal in Dresden. In der Nacht vom 27. zum 28. August 1997 brannte der Pavillon fast vollständig aus und blieb in der Folge dem Vandalismus überlassen. Der endgültige Verfall des Pavillons schien schon fast besiegelt.

Die Rettung dieses historisch einmaligen Gebäudes ist der Initiative von Dr. Malte von Bargen zu verdanken. Im Jahr 2005 gründete er zusammen mit Bewohnern des Weißen Hirsches den Verein „Chinesischer Pavillon zu Dresden e.V.“, der seit 2006 Eigentümer der Anlage ist. Die Nutzung des Pavillons dient dem vielseitigen Austausch mit China auf kulturellen, wirtschaftlichen und wissenschaftlichen Gebieten. Der Ministerpräsident des Freistaates Sachsen übernahm damals die Schirmherrschaft. Der Wiederaufbau des Gebäudes wurde durch zahlreiche Fördermittel von Bund, Land und Kommune unterstützt. Der Chinesische Pavillon ist ein national bedeutsames Kulturgut.
Die Anschubfinanzierung erfolgte durch die Ostsächsische Sparkasse, die Denkmalförderung, die von Ardenne GmbH und weitere zahlreiche Zuwendungen.

Seitdem ist der Verein, mit seinem Initiator Dr. Malte von Bargen, unermüdlich tätig, durch Sponsoren und Helfer den Wiederaufbau voranzutreiben. Zuständig für die notwendigen baulichen Maßnahmen ist der Architekt Matthias Helm in enger Zusammenarbeit mit dem Denkmalschutz. Der Architekt hat so weit wie möglich Originalbestandteile des Pavillons erhalten, seien es Balken, Fenster oder Holzornamente. Das Dach wurde mit maßgefertigten Ziegeln erneuert. Dresdens Partnerstadt Hangzhou unterstützt den Wiederaufbau mit fachlichem Rat.

Im Pavillon entstand eine öffentliche Begegnungsstätte mit 100 Sitzplätzen für z.B. regen Kulturbetrieb und Möglichkeit, das Haus privat oder für Unternehmen zu verschiedenen Anlässen wie z.B. Familienfeiern oder Konferenzen zu mieten. Die Halle hat eine sehr gute Akustik, dank derer sich der Pavillon zudem für hochwertige Konzertdarbietungen eignet. Im Sommer können die Terrasse, die gedeckten Umgänge und der Garten mit genutzt werden.

2007 fand hier eines jener Grundton D Konzerte statt, mit dessen Erlös die Deutsche Stiftung Denkmalschutz und der Deutschlandfunk den Wiederaufbau von Baudenkmälern in den östlichen Bundesländern förderte.

In der Mitgliederversammlung des Vereins am 25. Juni 2015 ist Dr. Malte von Bargen als Vorstandsvorsitzender aus Altersgründen zurückgetreten und die Mitglieder haben Dr. Dieter Reinfried als Nachfolger gewählt. Dr. von Bargen begleitet seither als Ehrenvorsitzender den weiteren Weg des Chinesischen Pavillons. Unter Dr. Reinfried wurde das Veranstaltungsprogramm des Vereins wesentlich ausgebaut, was z.B. dadurch ermöglicht wurde, dass die Halle mit neuer hochwertiger Holzdielung, moderner Beleuchtung, einer Heizung sowie neuer Vortragstechnik ausgestattet wurde. Schließlich erhielt der Pavillon ein eigenes Büro im Sockelgeschoss des Hauses. Dr. Reinfried trat im Sommer 2020 als Vorstandsvorsitzender zurück und übergab diese Position zur Mitgliederversammlung im Herbst 2020 an seinen Nachfolger Prof. Dr. Henning Heuer.

Unter dem neuen Vorstandsvorsitzenden konnte mit der Sanierung der Außenanlagen des Chinesischen Pavillons nach historischem Vorbild ein wichtiges Projekt der Vereinsarbeit zu einem krönenden Abschluss gebracht werden. Die Außenanlagen wurden in Anwesenheit des Oberbürgermeisters am 27.Mai 2021 feierlich wiedereröffnet. Diese Sanierung machten finanzielle Förderer und Unterstützer, so der Bund (BKM), der Freistaat Sachsen, die Vattenfall Umweltstiftung und private Spender möglich. Die Dresdner Neuesten Nachrichten sponsorten für den Außenbereich die Gartenmöbel.

Mittlerweile strebt der Verein  ein neues große Ziel an: den Ausbau des Sockelgeschosses als Vorbedingung zum Ausbau des Chinesischen Pavillons zu einem Kultur- und Nachbarschaftszentrum für Bühlau und den Weißen Hirsch. Zahlreiche Gelder müssen dafür akquiriert, zahlreiche Stunden Arbeit in die Umsetzung von Bauplänen investiert werden.

Der Wiederaufbau des Hauses erfolgt nach Maßgabe der verfügbaren finanziellen Mittel in eigenständigen und einander ergänzenden Abschnitten. Spenden und Patenschaften für einzelne Elemente befördern den Ausbau. Diese werden jederzeit gern gesehen, damit eines Tages der Chinesische Pavillon wieder in seinem alten Glanz, mit modernen Visionen belebt, erstrahlt.

1) Offzieller Führer durch die Internationale Hygiene-Ausstellung Dresden 1911 und durch Dresden und Umgebung. Berlin (Rudolf Mosse) [1911], S. 9] Nach Wiki Hygieneausstellung.
2) Otto Teich: In der Zeitschrift „Hygiene und Industrie“

Literatur:

  • Anita Günther: „Der Chinesische Pavillon der Internationalen Hygiene-Ausstellung 1911 in Dresden lebt“ in Zeitschrift StuDeo Studienwerk Deutsches Leben in Ostasien e.V., Juni 2015, S.31 – 35
  • Clarissa von Spee: „Der Chinesische Pavillon zu Dresden Wiederentdeckung eines historischen Bauwerks“ in Ostasiatische Zeitschrift Nr. 14 2007, S. 32 – 36
  • Wikipedia: „Chinesischer Pavillon“
  • Informationen von Dr. Malte von Bargen

K.v.Loh, 01.07.2015
aktualisiert: Dr. C. Lein 02.11.2022

Chronologie des Chinesischen Pavillons